Volksfräse – Spann- und Opferplatte (2)

Die neue Opferplatte

Mit einer bereits fertiggestellten Basisplatte (Volksfräse – Spann- und Opferplatte (1)) ist das Design und Entwurf einer neuen Opferplatte nicht all zu schwer. Zur Erinnerung, die Opferplatte sollte folgende Features beinhalten:

  • schnell und einfach austauschbar sein
  • eine Möglichkeit bieten sie optimal plan fräsen zu können
  • keine Einschlagmuttern / Rampamuffen / Einschraubmuttern beinhalten
  • aus Holz sein
  • komplett per bestehender CNC Fräse (Volksfräse) automatisch gefräst werden können
  • die Möglichkeit haben einfach und exakt (im Koordinatensystem der Maschine) einen Maschinenschraubstock anbringen zu können
  • eine Möglichkeit bieten, jegliches zu bearbeitende Bauteil einfach ausrichten zu können (im Koordinatensystem der Maschine)

Wie sehen diese Anforderungen umgesetzt in eine Opferplatte aus? Ganz einfach:

Opferplatte Fusion 360 3D

Betrachtet man den Entwurf von oben, kann man natürlich ähnliche Bohrungen wie an der Basisplatte erkennen. Wichtig sind aber die kleinen feinen Unterschiede:

Opferplatte Fusion 360 Top

Die vielen kleinen (6 mm) Bohrungen sind als Positionierungslöcher für Passstifte gedacht, somit lassen sich zu bearbeitenden Werkstücken perfekt im Koordinatensystem der Volksfräse ausrichten.

Des Weiteren kann man auch noch unregelmäßige Bohrungen im rechten oberen Bereich sehen. Diese Bohrungen sind angedacht um einen Maschinenschraubstock ausrichten und festspannen zu können.

Fusion 360 -> Estlcam -> Opferplatte

Fusion 360 – Export

Die in Fusion 360 modellierte Opferplatte kann recht einfach als dxf exportiert werden. Dazu ist es lediglich nötig eine neue Skizze auf der Oberseite der Platte zu generieren. Die Oberseite in diesem Fall, denn es soll ja auch von oben die Platte bearbeitet werden. Also immer die Skizze auf die Fläche legen von der später bearbeitet werden soll. Danach braucht man nur bestehende Geometrien in die Skizze zu projektieren – Schnelltaste „p“.

Kleine Zusatzinformation: In diesem Fall habe ich zusätzlich noch einen Offset von 6mm um die Opferplatte gezeichnet. Warum? -> Die Opferplatte soll komplett plan gefräst werden, bis in die Ecke. Da der Fräser aber einen gewissen Durchmesser hat kommt er logischerweise nicht ganz bis in die Ecke, daher der Offset um die Platte, das hilft später beim Planfräsen!

Opferplatte Fusion 360 Skizze / Export

Nun muss nur noch die Skizze exportiert werden, dazu benötigt man lediglich einen rechtsklick in der Navigation auf die Skizze und wählt „Speichern als dxf“ aus.

Estlcam

Estlcam bietet sehr komfortable Möglichkeiten aus svg, dxf,… Dateien ein Fräsprogramme bzw. G-code zu generieren.

Öffnet man die zuvor erzeugte .dxf in Estlcam bekommt man folgende Ansicht:

Estlcam Nullpunkt beim ersten öffnen

Alle Konturen sind ersichtlich. Die Befestigungslöcher mit den Senkungen sind gut erkennbar und auch all die Bohrungen für die Passstifte sind ersichtlich. Den Offset von 6mm um die eigentliche Opferplatte kann man auch gut erkennen.

Wichtig: Den Nullpunkt in Estlcam auf die Ecke der Opferplatte legen, nicht auf die Ecke des Offsets !

Estlcam Nullpunkt korrekt

Man könnte nun alle nötigen Operationen in ein einziges File packen, einen Knopf drücken und die gesamte Platte würde in einem Zug gefräst werden, empfehle ich in diesem Fall jedoch nicht denn:

  • das ist nicht die einzige und letzte Opferplatte und es muss mit Sicherheit an den einzelnen Funktionen an der Tiefe usw. gearbeitet werden, es kann mit einzelnen Dateien viel einfacher alles auf einmal markiert werden also bei so vielen Bohrungen die einzelnen Bohrungen nach und nach anklicken, dann ändern.
  • muss nur neu plan gefräst werden – müssen nicht erst alle anderen Fräsoperationen entfernt werden
  • müssen nur die Befestigungslöcher vertieft und nachgebohrt werden – müssen nicht erst alle anderen Fräsoperationen entfernt werden

Daher empfiehlt es sich in diesem Falle einzelne Files zu erstellen. Ja man muss dann öfters Start das Fräsprogramm laden und starten, aber da es hier nicht um Massenproduktion geht, ist das in Ordnung, vor allem, wenn man an die zuvor angeführten Vorteile denkt.

Folgende Programme sind dabei entstanden:

  • Befestigung
  • Befestigung Senkung
  • Befestigungslöcher M8 für Spannen
  • Passstifte
  • Plan Fräsen – horizontal
  • Plan Fräsen – vertikal

Estlcam – Werkzeuge

Will man in Estlcam Bohrungen/Fräsungen vornehmen benötigt man in der Software Werkzeuge. In Estlcam werden hinter den Werkzeugen viele wichtige Parameter hinterlegt. Drehzahl, Vorschubgeschwindigkeit, Tiefenzustellung pro Durchgang, Durchmesser, …. um mal ein paar zu nennen. Drehzahl und Vorschubgeschwindigkeit sind stark von Material, dem verwendeten Fräser/Bohrer abhängig. Die Fräse spielt dabei auch eine extreme Rolle, wie verwindungssteif ist sie, kann sie die Leistung für den benötigten Vorschub bringen ohne dabei Schritte zu verlieren? Die benötigten Werte und Paramater für die Werkzeuge in Estlcam können grob berechnet werden, benötigen aber auf jeden Fall eine Anpassung. Sorotec bietet dazu einen äußerst hilfreichen Schnittdatenrechner an. Wie gesagt, dieser Rechner dient als Richtwert, Tuning ist final mit Test Fräsungen selbst vorzunehmen.

Estlcam – Fräsprogramm: Befestigung

Um die Befestigungslöcher bohren bzw. in diesem Fall fräsen zu können muss ein Werkzeug ausgewählt werden. Zur Auswahl kam ein Vollhartmetall Fräser 2 Zahn mit einem Durchmesser von 6mm.

Danach ist auf Ausschnitt zu klicken – und die gewünschten Löcher anzuklicken. Das Eigenschaftenfenster kann fürs erste ignoriert werden. Zuerst alle gleichen Operationen auswählen, danach alle markieren und im Eigenschaftenfenster die Frästiefe eintippen. In diesem Fall 18mm, denn das ist die Dicke der Opferplatte.

Estlcam – Befestigungslöcher (1)

Achtung: Keinesfalls zu tief fräsen, zur Erinnerung in der Basisplatte darunter befinden sich an diesen Stellen eingepresste Einschlagmuttern und in die soll möglichst nicht gefräst werden.

Danach noch die Bearbeitungsreihenfolge richtigstellen, und schon kann sicher gefräst werden. Bearbeitungsreihenfolge? Warum ist das so wichtig? Da die Opferplatte noch nichts zum Befestigen hat, muss sie mit Spannpratzen niedergehalten werden, damit man mit dem Fräser nicht die Pratzen ankratzt ist es klug, gleich von Anfang an die Bearbeitungsreihenfolge so festzulegen, dass man nicht mal in die Nähe kommt!

Im folgenden Bild sieht man das finale Fräsprogramm, die grün eingezeichneten Flächsen sollen die Spannpratzen symbolisieren.

Estlcam Fräsprogramm Bearbeitungsreihenfolge

Zusammenfassend gibt es auch ein kurzes Video, denn ein kurzes Video ist viel aussagekräftiger als Bilder und Text.

Ein paar Impressionen der Volksfräse bei ihrer span(n)enden Arbeit:

Estlcam – Fräsprogramm: Befestigung Senkung

Befestigung Senkung sieht nahezu gleich aus wie das Programm davor, es wurden lediglich die äußeren Bohrungen und eine Frästiefe von 11mm gewählt.

Achtung: Auf Nullpunkt und Bearbeitungsreihenfolge achten bevor gefräst wird!

Volksfräse Nullpunkt Maschine – Platte (liegen exakt übereinander, Bild täuscht ein wenig)

in paar Impressionen der Volksfräse bei ihrer span(n)enden Arbeit

Nachdem die Opferplatte nun die vorgesehenen Befestigungslöcher hat, können diese ab sofort verwendet werden. Schrauben rein und die Spannpratzen können entfernt werden. Nach diesem Schritt muss zumindest nicht mehr auf die Bearbeitungsreihenfolge geachtet werden.

Estlcam – Fräsprogramm: was noch übrig ist

Es macht nun wenig Sinn all die einzelnen Fräsprogramme Schritt für Schritt durchzugehen, eine kleine Galerie mit Bildern der Programme gibt einen viel besseren Überblick.

Gibt es detailliertere Fragen, kann man mich gerne über meine Kontakt Seite oder Discord erreichen.

Opferplatte Fertigstellung

Nach dem Fräsen und Planen ist die Opferplatte schon beinahe uneingeschränkt verwendbar.

In dem Video ist zu sehen, wie die Löcher für die Passstifte gebohrt werden.

Nach den Passstiften kann nun endgültig plan gefräst werden. Dazu wird zuerst 0.5 mm in X-Richtung plan gefräst, danach im zweiten Schritt nochmals, aber das Fräsmuster um 90 Grad gedreht.

Der finale Feinschliff der Oberfläche wird mit einem Exzenterschleifer gemacht. Nicht zu viel und zu lange schleifen, es sollen nur Reste entfernt werden und nicht neue Unebenheiten geschliffen werden.

Beim genaueren Betrachten bemerkt man aber, dass einige Bohrungen einen Grad bzw. Holzspäne aufweisen. Also Platte runter, Löcher auf der Rückseite senken und wieder rauf damit.

Nun kann endlich auf einer planen und schnell auswechselbaren Opferplatte gearbeitet werden. Das Ausrichten von Platten und anderen Werkstücken geht nun mithilfe der Passstifte mühelos und wirklich flott, auch der Schraubstock lässt sich nun schnell und exakt ausrichten und spannen.

Es war viel Arbeit, aber Es ist kein Vergleich zum Vorgänger. Allein schon der Fakt, dass sie absolut plan ist und Werkstücke schnell ausgerichtet und gespannt werden können, ist genügend Entschädigung für die viele Arbeit.

Opferplatte an der Volksfräse montiert

Happy Fräsen